der (ganz) andere Friseur

Es war an der Zeit die Ohren freilegen zu lassen. Immer der gleiche Friseur muss ja auch nicht sein und so zog ich los um auf der anderen Seite vom Wohnblock neue Erfahrungen zu sammeln.

Die erste Erfahrung war: du musst weiter gehen, der Friseur hat jetzt keine Zeit.
Alle Angestellten standen vor der Tür und beklatschten irgend etwas.

Lief ich eben zwei Strassenkreuzungen weiter, ging um ne Ecke und da war ja gleich wieder einer.
Vor der Tür saßen 5-6 junge Herren, machten grosse Augen als sie mich kommen sahen und noch größere als ich tatsächlich zwischen ihnen hindurch ging und den Eingang ansteuerte.
Kaum dass ich vor der Glastüre stand, ging diese auch schon auf (natürlich Handbetrieb).
Ich trete ein und 4-5 Damen verbeugen sich vor mir. Nicht doch, so wichtig bin ich ja auch wieder nicht.
War trotzdem ne schöne Erfahrung ;-)

Mit Händen und Füssen erklärt was ich will und die Dame weist mir auch schon Weg.
Wir gehen quer durch den Salon und sie winkt mich zu einer Treppe, die führt in den Keller.
Ich seh aber nix, die Treppe führt um ne Ecke und unten ist es duster. Mich beschleicht ein mulmiges Gefühlchen.
Bin ich hier richtig ? Haben die verstanden was ich will ? Ist ja hoffentlich kein Spezial-Dienstleistungsbetrieb mit Friseursalon Tarnung.

Ich steig also langsam die Stufen runter, die Dame ist etwas schneller, zu schnell, beinah hätt sie´s runtergebeitelt.
Unten seh ich dann doch etwas Licht. Trübe blaue Beleuchtung und da stehen 8 Liegen mit nem Waschbecken an einem Ende.
Also doch nur ein Friseur, uff.
Wir gehen nochmal um eine Ecke, dort stehen 6 Liegen mit Waschbecken, die Dame bedeutet mir mich auf eine Liege zu bequemen. Gut, dann leg ich mich hin. Kaum dass ich liege, drängt sie mich wieder hoch, steckt mir eine Plastiktüte hinten in den Kragen, ein kleines Handtuch hinterher, drückt mich auf die Liege und bedeckt meinen Hals und Brust mit einem weiteren Handtuch und zieht sich selbst einen Mundschutz über. Sah aus wie in der Klinik.

Jetzt geht es los. Zuerst kleine Trockenmassage an Stirn und Augen, dann Haare nass machen und tüchtig einseifen.
Und das ging dann so: Haare einseifen, Massage, auswaschen, Haare einseifen, Massage, auswaschen, Haare eins....

Ich weiss echt nicht mehr wie oft die mir die Haare eingeschäumt hat. War einfach zu viel.

Zwischendurch hat sie mir das Gesicht eingeseift, durchmassiert, gespült und wieder durchmassiert.

Und dann gabs da noch Öhrli Böhrli. Kein Scherz, die Dame hat mit ja sowas von in den Ohren gebohrt.
Zuerst hat sie Schaum reingestopft und dann mit den Fingern drin rumgebohrt. Ich spür jetzt noch den Fingernagel in mir.
Und sie hat ziemlich lange die Ohren massiert und angebohrt. Zum Schluss hat sie mir eine richtige Ohrenspülung gegeben.
Sie nimmt einen Messbecher (wohl so 500ml) , dreht meinen Kopf zur Seite und schenkt mir ein. Exakt wie ein Barkeeper, zuerst über dem Glas und dann die Flasche einen Meter hochziehen. Als ich die Augen drehe, sehe ich den Messbecher weit über mir und der Wasserfall lässt mir s´Ohr rauschen.

Jetzt kommen heisse Tücher. Im Nacken, über Strin und Augen, übers Kinn. Seehr angenehm das alles.

Weg mit den heissen Tüchern und sie tupft mir elfundneunzigmal des Gesicht ab.

Die Frau steht auf Ohren. Jedenfalls putzt sie mir mit Hilfe mehrerer Wattestäbchen hingebungsvoll die Öhrlis.

Ich bin jetzt so sauber wie ne Katze nach mehrstündiger Schleckorgie.
Warum dusch ich eigentlich immer vorher? Bisschen Deo würds doch auch tun. Duschen kann ich dann ja hinterher, zum Haare rausspülen.

Und damit ich mich nicht zu wohl fühle, werde ich gleich verprügelt, krieg die Arme gebrochen und die Finger abgezogen.
Könnte man aber auch Massage nennen.

Man entlässt mich nach oben. Dort wartet schon der Maestro. Der redet nicht viel, zeigt nur mit den Fingern die Länge an.
Ich nicke. er legt los. Ich überlege noch. Das was er angezeigt hat will er abschneiden oder stehen lassen ?
Ah, egal, die wachsen ja wieder. Und nach “der” Massage wahrscheinlich schneller als vorher.

Der Maestro, der muss früher Schafscherer gewesen sein. Die Schere benutzt er rekordverdächtig wenig.
Mit dem Elektroschnippler dagegen schort er mir in Bestzeit die Wolle vom Kopf.
Ratz fatz bin ich wieder raus aus dem Stuhl und liege wieder an einem Becken zum spülen.
Gleich zurück zum Maestro, der fönt mir ein verwegenes chinesisches Vordach hin und entlässt mich endgültig.

Hin zur Kasse und um 50 RMB gebeten worden. Das wars allemal wert. Trinkgeld geben, Tür aufhalten lassen und raus.

Draussen schau ich neugierig auf die Uhr. Was ? Nur eine Stunde ! Kam mir deutlich länger vor.
Scheint effizient zu arbeiten, der Laden. Hey, Friseur gehen macht Spass hier.