ein Tag beim Friseur


Ich musste ja dringend zum Coiffeur. Wollte das noch in Dland machen, kam aber nicht mehr dazu.
Da es heute mal wieder ein wenig regnete, habe ich mich entschlossen den Friseurbesuch zu wagen.

Den Friseur habe ich letztens gesehn als ich beim Immomakler war, sah nicht schlecht aus bzw. sah “normal” aus.
Kurz entschlossen hingegangen, ein freundlicher Herr öffnet mir die Tür und bittet mich zu einem Stuhl.
Super, keine Wartezeit.
Der Herr zeigt auf ein Schild mit vielen chinesischen Schriftzeichen und ein paar Zahlen und erklärt mir etwas.
Ich antworte mit dem (mittlerweile) üblichen Schulterzucken. Er lächelt und fängt an.
Na, so “normal” sahs dann  auf den zweiten Blick nicht mehr aus. Konnte keine Haare auf dem Boden entdecken, dafür n paar Zigarettenkippen und etwas das wie ne Mullkompresse aussah (?).
Ich hab erst mal nix weiter rumgeschaut und nur gehofft, dass ich es überstehen werde.

Los geht´s !
Zuerst hat er mir eine zähe Flüssigkeit auf den Kopf geschmiert, dazu ein paar Spritzer Wasser aus ner kleinen Flasche mit einer noch kleineren Düse. Und dann hat er angefangen das alles zu verreiben.
Ich hab mich noch gewundert was das wird. Erst als der Schaumberg aufm Hinterkopf unübersehbar war, war mir klar; der wäscht dir den Kopf neimes, OHNE Waschbecken.
Er hat mich angegrinst und ich hab zurückgegrinst (was sonst hätt ich tun sollen, mit dem Schaumturban aufm Detz).
Und so hat der Herr lange lange Minuten den Schaum auf meinem Haar verteilt, hat ihn dann mit beiden Händen abgenommen, ist zu einem Waschbecken (es gibt also doch welche) und hat ihn da rein befördert. Kommt zurück, schmiert mir wieder Shampoo in die Haare, spritzt Wasser drauf und macht weiter.

Zwischenzeitlich kriegt der Kunde neben mir eine Rückenmassage (bin ich jetzt beim Friseur oder was ?).
Der freundliche Herr fängt bei mir jetzt mit massiver Kopfmassage an.

Hinter mir ist Riesengeschrei, ein kleiner Junge (etwa 3-4) wird mittels Maschine von der Wolle befreit. Jedesmal wenn die Maschine an seinen Kopf geht schreit er herzzerreissend. Zu zweit (Mutter und wohl Schwester) halten sie ihn fest, der Friseur erübrigt auch noch eine Hand zum festhalten, mit der anderen schert er fleissig weiter.

Dem Kunden neben mir wird gerade ein Arm ausgekugelt.
Bei mir werden jetzt die Ohren massiert.

Das Schreien des Jungen nimmt bedenkliche Form und Lautstärke an, der Friseur braucht jetzt beide Hände zum arbeiten, eine Kollegin kommt herbei und hilft beim Jungen festhalten
Jedesmal wenn der Friseur die Maschine absetzt, ist der kleine ruhig und schaut ganz interessiert in die Runde. Geht die Maschine wieder an den Kopf, wird er zu Quecksilber (und schreit natürlich). Er tut mir richtig leid.

Nachdem die resolute Dame am Nebenplatz dem Kunden beide Arme ausgekugelt hat, fängt sie an seine Handgelenke zu brechen.
Bei mir wird ständig gewechselt zwischen Kopf- Ohren-, Nacken-, Stirn- und Backenknochenmassage.

Der Junge hats endlich geschafft, grinst und macht dass er wegkommt.
Der Herr neben mir lebt noch, Himmel, der grinst auch (welch ein Masochist).

Ich werde zum Becken gebeten.
Ist nicht wie ichs kenne, ist ne richtige Liege davor und im Becken ist eine gepolsterte Kopfstütze.
Erst mal spülen, dann Gesicht mit heissem Tuch abreiben, wieder Harre einschäumen, wieder ewig lange Massage.
Ist angenehm, ich muss mich verdammt zusammenreissen damit ich nicht wegschlafe.
Wieder spülen, abtrocknen, heisses Tuch aufs Gesicht ... jetzt bittet er mich zu einem anderen Stuhl.
Nimmt nen Fön (ich denk noch warum, Haare schneidet man doch wenn sie noch nass sind) und fönt mir das T-shirt. War wohl hinten am Kragen nass.
Reicht mir Wattestäbchen und eben so ne Art Mullkompresse und gibt mir mit Gesten zu verstehen, dass ich mir die Ohren putzen soll.
Als ob ich das heute noch nicht getan hätte, kam ja grade aus der Dusche (Haare waschen hätt ich mir echt sparn können).

Weiter gehts.
Kopfmassage, Nackenmassage, er beginnt lange Rückenmassage und dann ...  verprügelt er mich.
Also, nicht so richtig aber er haut schon zu.
Anschliessend Arme auskugeln, Handgelenke brechen, Finger aus den Gelenken ziehen.
Macht sich an meiner (von ihm) gebrochenen Schulter zu schaffen, dann werd ich wieder verprügelt.
Ich mach mir so meine Gedanken, wie lange ich schon hier bin (ewig), ob ich wirklich irgendwann die Haare geschnitten bekomme, was für Summen mich das kosten wird, ob ichs denn tatsächlich überleben werde, etc...

Endlich fragt er mich ob ich die Haare geschnitten haben will. Ja Bu, was glabschan du warum i do hock ?

Er holt einen anderen Herrn herbei und sagt (glaub ich halt), dass sei der Maestro.
Der Maestro holt ein Ledertäschchen hervor, fegt die Wattestäbchen und Kompresse von der Ablage (ah .. deshab also) und breitet sein Täschchen daruf aus. Interessante Folterwerkzeuge (schwitz).
Die Haare sind mittlerweile völlig trocken und er macht keine Anstalten sie noch etwas zu befeuchten.

Und dann hab ich eine erstklassige Vorführung chinesischer Haarschneidekunst bekommen.
Hat zwar ewig gedauert (in Dland ne Aktion von höchsten 10 Minuten) wars aber Wert.

Zuerst hat er jedes einzelne Haar wie nen alten Freund begrüßt. Vielleicht wollte er Abbitte für die Teilamputation leisten.
Anschliessend ist er 2mal um mich rumgelaufen und hat wohl den besten Ansatzpunkt für die Operation gesucht.
Jetzt wird geschnitten, jawoll. Erst hier, dann da, dann dort. Und zwischendurch immer optische Vermessung von meinem Köpfchen.
Manchmal isser wieder um mich rumgelaufen, hat n paar Sekunden sinniert und wieder hier und da ein einzelnes Härchen abgezwickt.
aber mit Präzision und Hingabe. Ich sag euch, mancher gestandene Feinwerkzeugbauer würde den Burschen um seine Scherenführung beneiden.
Nach einer Ewigkeit (ich habe schon frohlockt entlassen zu werden, weil - er war ja schon lange fertig, eigentlich, wären da nicht noch einzelne Haare ein Dorn in seinen Augen gewesen) zieht er die Schürze weg und übergibt mich an den jungen Herrn von vorher.
Der geleitet mich zum Becken. Wieder spülen, massieren, Ohren ausspülen, Gesicht mit heissem Tuch abtupfen, etc...
Und (ich glaubs kaum) zurück zum Maestro.

Der Maestro fönt mir auch wieder das T-shirt und begibt sich dann zur Feinarbeit. Nackenrasur, Kotlett trimmen usw.
Fiel mir gar nicht auf, dass das noch fehlte.
Kürzt noch ein paar verwegene Härchen, die meinten sie müssten vorwitzig rausstehen, bedankt sich (aber nicht doch ... ich habe zu danken) und entlässt mich (endgültig).

Ich sammel meine Knochen ein, völlig überrascht wie gut ´s mir geht (kann vor Kraft kaum stehen) und schreite zur Kasse; mulmiges Gefühl ob der dicken Rechnung die auf mich harret.

Die Dame an der Kasse sammelt zwei Zettel ein, schreibt ein wenig hier und da (oh bitte, doch nicht sooo viel) und legt mir dann die Rechnung hin.
Ich hab zweimal hinsehen müssen. Im Vergleich zu dem was meine Putzdame nimmt, kann das ja nur ein Scherz sein.

Was ... wieviel soll ich löhnen ?    45 RMB       Aber , aber ... das sind ja  4 1/2 (viereinhalb) Euro.

Kein Scherz Leute, für 2 1/4 Stunden Massage, Wäsche und ewiges Schneiden verlangen die hier vier Euro fuffzig.
 

Eigentlich wollt ich ja nur mal KURZ zum Friseur. Hat zwar etwas länger gedauert ... dennoch ... da geh ich öfter hin, notfalls auch ohne schneiden ;-)

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